Editorial

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1.    Kultur im Umbruch

Kulturproduktion und Kulturkonsumption unterliegen aktuell einem fundamentalen Wandel, für den sozioökonomische, demographische und technologische Entwicklungen gleichermaßen verantwortlich sind. Prozesse der Migration, Digitalisierung und Globalisierung gehen mit einer Neuordnung des kulturellen Feldes einher. Praktiken, Institutionen und Arbeitsbedingungen in der Kultur verändern sich fundamental. Betroffen von diesem Wandel sind kulturell-künstlerische Produktion, Distribution und Rezeption (z. B. TTIP, Kulturschutzgesetz, neue Technologien etc.). Vor diesem Hintergrund zeichnet sich eine sektorale Neuverortung und Neubestimmung ab, in der nicht nur die Kräfteverhältnisse zwischen öffentlich-rechtlichen, privatwirtschaftlich-kommerziellen und zivilgesellschaftlichen Akteuren und Institutionen neu ausgehandelt werden, sondern bei der auch wettbewerbsrelevante Veränderungen, Wertewandel und Steuerungsveränderungen, Angebots- und Nachfragediversifizierung stattfinden als auch Herausforderungen der (juristischen) Kulturpraxis zwischen Transnationalisierung, staatlicher Protektion und einem sich erweiternden Kunstfeld. Diese Transformation weist auf einen Umbau des gesellschaftlichen Kultursystems und seiner Institutionen, die Gegenstand der 10. Jahrestagung in Weimar war.

 

2.    Vorbemerkungen zur Fachentwicklung

Die Jahrestagung des Fachverbands für Kulturmanagement im Januar 2017 fand anlässlich des 10jährigen Gründungsjubiläums 2007 in Weimar statt.1 Ging es in der Gründungsphase des Faches Kulturmanagement zunächst vor allem um Herausforderungen auf organisationaler Ebene – neben der Einrichtung von einschlägigen Professuren bzw. Instituten mussten Curricula erstellt, Lehrinhalte festgelegt, Lehrmaterialien konzipiert und Forschung initiiert werden–, so lässt sich rückblickend ein durchaus erfolgreicher, in vier zeitliche Phasen gegliederter Prozess der Institutionalisierung eines neuen Faches konstatieren:

Die Phase der Gründung, bei der die Anforderungen der (akademischen) Lehre und des kulturellen Feldes im Zentrum standen.2

An die Gründungsphase schließt sich eine der Konsolidierung ab ca. Mitte der 1990er an mit der Ausweitung der akademischen Angebote an Hochschulen. In der Forschung hat man es mit dem Einsatz erster, wenn auch rudimentärer Theoriebildung bei fortgesetzter Dominanz der anwendungsorientierten Richtung zu tun.

Ab ca. Mitte der 2000er Jahre setzte die Phase der institutsübergreifenden3 Institutionalisierung ein. 2007 wurde in Weimar eine akademische Fachgesellschaft gegründet, der Fachverband für Kulturmanagement. Seitdem finden regelmäßig Tagungen der Kulturmanagementstudiengänge im deutschsprachigen Raum statt (s. Tab. 1), ferner wird als zentrales, d. h. institutsübergreifendes Periodikum seit 2009 ein Jahrbuch für Kulturmanagement4  (seit 2015 als Zeitschrift für Kulturmanagement5  fortgesetzt) herausgegeben. Zudem wurde als Instrument der Kommunikation 2009 eine eigene Website des Fachverbandes lanciert (www.fachverband-kulturmanagement.de), die in den Folgejahren stetig erweitert und aktualisiert wurde. Mit der Gründung des Fachverbandes wurden somit professionelle Strukturen geschaffen, Kennzeichen von akademischen Disziplinen. Diese Professionalisierung äußert sich aber auch nach ‚Abtritt‘ der Gründergeneration in der (erstmaligen) Nachbesetzung von Professuren und Lehrstühlen und damit erstmals auch Fachvertretern, die ihr Fach studiert hatten, wodurch eine für die fachliche Entwicklung unerlässliche Kontinuität gewährleistet ist.

(Tabelle 1)

Derzeit befindet sich das Fach in einer Phase der fachlichen Differenzierung und der damit verbundenen wissenschaftlichen Kontroversen. Dabei geht es vor allem um die normativen Vorannahmen, die dem Fach aufgrund der erwähnten Anwendungsorientierung von Anfang an zugrunde lagen und liegen.

Indirekt knüpft die Ankündigung zur Weimarer Tagung mit ihrer bewusst provokativ gesetzten Analogie zwischen der kulturpolitischen Formel einer ‚Kultur für alle‘ und der des ‚Bitterfeder Weges‘ an diese Kontroversen an,6  sind doch beide Konzepte ungeachtet aller Unterschiede normativ fundiert – und hier müsste ein Vergleich ansetzen und damit eine Analyse von gesellschaftlichen Funktionszuweisungen für Kunst und Kultur, die sie sich in den aktuellen Debatten um kulturelle Partizipation und Teilhabe genau so zeigen wie in den Debatten, in und mit denen Künstler auf ein ideologisch geprägtes Menschenbild verpflichtet werden sollten, Künstler eben als ‚Ingenieure der Seele‘.7

Von diesen Überlegungen ausgehend stellt sich die zentrale Frage, die auch für das Fach Kulturmanagement immer noch höchste Relevanz besitzt. Soll Kulturmanagement als wissenschaftliche Disziplin Werturteile abgeben? Können oberste Werte oder ethisch begründete Normen für menschliches Handeln wissenschaftlich hergeleitet werden – so das Grundproblem der Wissenschaftslehre.

Zu differenzieren sind dabei Bewertungen im Hinblick auf Brauchbarkeit bzw. auf Verfahren. Im ersten Falle, den sekundären Werturteilen, hat man es mit Wertbeziehungen zu tun, z. B. der Frage, welche Prozesse effizient oder effektiv sind, es geht also um eine Wertbeziehung im Sinne eines Zweck-Mittel-Verhältnisses. Bei den primären Werturteilen geht es um die Verfahren selbst, denen Wert beigemessen wird. Nimmt man als Beispiel Gerechtigkeit oder ‚kulturelle Teilhabe‘, die ethisch bewertet und denen als Gegenstände oder Verfahren Wert mit dem Anspruch auf Allgemeingültigkeit zugewiesen wird, könnte man hierzu kulturpolitisch motivierte Normierungen (Sozialistischer Realismus, Kultur für alle) rechnen, letztlich subjektiv wertende Aussagen, die sich entsprechenden Verfahren der Reliabilität, der Validität oder Repräsentativität i. d. R. entziehen und die deshalb keine wissenschaftlichen Aussagen darstellen. Dies ist vor allem ein Problem eines Kulturmanagement-Diskurses, der bewusst die Fachgrenzen überschreiten und je nach Diktion in das Feld oder System hineinwirken möchte. Wer nun aber von einer Wissenschaft die Abgabe von Werturteilen fordert, obwohl sich diese einer wissenschaftlichen Beweisführung entziehen, der setzt Wissenschaft mit politischer Ideologie bzw. einem persönlichen Bekenntnis gleich (HÖHNE 2008).

Gegen eine in Teilen vertretene, ausschließlich utilitaristische Bestimmung sind die grundsätzlichen Unterschiede von Wissenschaft und Lebenswelt zu reflektieren. Wissenschaftliches Denken, Forschen, Lehren, gleich ob stärker anwendungs- oder stärker theorieorientiert folgt keiner Logik der Praxis, lässt sich also nicht durch ein Nützlichkeitsdenken kolonialisieren. Etwas auf systematische und methodische Weise über bestimmte Denkmodelle und Praxen zu vermitteln ist immer etwas anderes, als direkt und ausschließlich im Dienste dieser Praxis zu handeln.

Diese Antinomie determiniert auch die Außenwahrnehmung des Faches, das, was man als Unbehagen am Kulturmanagement bezeichnen kann und was sich als kontrafaktische Dimension von Kunst und Kultur auf der einen, Management bzw. Ökonomie auf der anderen Seite beschreiben lässt.8

3.    Kultur im Umbruch. Transformation von Institutionen, Systemen und Formaten

An diese Vorüberlegungen zur Fachentwicklung knüpft das eingangs skizzierte Rahmenthema der Weimarer Jahrestagung an, die sich mit dem Umbau des Kultursystems befasste. Mit Prozessen der Transformation ist primär eine fundamentale Wende in der Beziehung von einer Institution zu Individuen und zu dem gesellschaftlichen Umfeld impliziert, somit ein Prozess, in dem alle Beziehungen der Institution neu definiert werden. Idealtypisch kann ein derartiger Transformationsprozess auf vier Ebenen angesiedelt werden: im Prozess der Einstellungsänderung (Reframing) verändert die Institution ihr Selbstbild und ihre Vorstellung von den Möglichkeiten. In der Restrukturierung werden Maßnahmen zur verbesserten Wettbewerbsfähigkeit entwickelt. Mit der Revitalisierung sollen neue Entwicklungsperspektiven erzielt werden. Mit der Erneuerung schließlich werden die Mitarbeiter motiviert, den Transformationsprozess aktiv mit zu gestalten. Eine gelungene Transformation ist somit Ergebnis einer Umgestaltung der ‚genetischen‘ Architektur einer Institution (<https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/business- transformation-51893> [18.5.2018]).

Motiviert wird eine Transformation durch Herausforderungen, mit denen sich auch das kulturellen System und seine Institutionen konfrontiert sehen. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit wären zu nennen: die Verschiebung von einer Angebots- zur Nachfrageorientierung im kulturellen Sektor insgesamt; die wachsende Staatsverschuldung, die zu Neubestimmung, häufig Beschränkung staatlicher Aufgaben führt; gravierende demographische Veränderungen, die sich als ein komplexes Wechselspiel von Schrumpfung (bei parallelem Wachstum), Zuwanderung und Alterung der Gesellschaft sowie in Formen von Heterogenisierung und Individualisierung äußern; ein verändertes Verbraucher bzw. Kulturnutzerverhalten, bei dem nur ein geringer Teil der Bevölkerung als (hoch)kulturaffin erkannt werden; die Erosion hochkultureller Formen durch Auflösung der Grenzen zwischen Hoch- und Popularkultur auf künstlerischer, institutioneller und diskursiver Ebene und einem immer heterogener werdenden Publikum bei entsprechendem Verlust an Exklusivität und schließlich die zunehmende Übertragung ökonomischer Maximen bzw. Kalküle auf nicht-ökonomische, auch hochkulturelle Bereiche und damit Anwendung eines wirtschaftlichen Kalküls auf einen diesem Kalkül fremden Gegenstand. Diese Herausforderungen verweisen auf eine fundamentale Transformation des Systems, wobei der Begriff Transformation nicht normativ, sondern deskriptiv im Sinne einer Umformung, einer Umgestaltung, einer deutlichen Veränderung einer grundlegenden Eigenschaft verstanden sei, also als Bezeichnung des systemischen Übergangs in einen neuen Zustand.

Als Beispiel für die Transformation einer Institution sei das Badische Landesmuseum Karlsruhe genannt, das ab dem Jahr 2017 unter drei Leitkonzepten eine veränderte Publikumskonstitution (die „Museumsbesucher zu Nutzern machen!“), ein verändertes Vermittlungsparadigma (Vermittlung von kultureller Identität im regionalen Kontext) und als ein neues diskursives Paradigma umsetzte, um auf diese Weise aktuelle Fragen der Gegenwart aufzugreifen. Umgesetzt wird diese Konzeption u. a. durch Nutzerausweise statt Eintrittskarten, einen individuellen Zugang zu allen realen Sammlungsobjekten, einer neuen räumlichen Strategie mit einer wenngleich auf vier Jahre begrenzten dauerhaften Schausammlung bzw. einer Sammlungspräsentationen mit Gegenwartsbezug, einer digitalen Strategie, d.h. öffentlicher Zugänglichkeit von digitalen Datensätzen aller Objekte im Internet, Sonderausstellungen für überregionale Strahlkraft der Institution und einem Konzept von Museum als ‚offenem Haus‘ per individuellem Zugang in alle Bereiche der Sammlung. Im Ergebnis also das Konzept einer ‚Expothek‘.

Transformationsprozesse bei den Kulturformaten findet sich auf den Ebenen der Produktion, Distribution und Rezeption, seien es die MET live im Kino oder die Digital Concert Hall der Berliner Philharmoniker, seien es Angebote wie die des Berliner Radial Systems oder die Yellow Lounge. Bei letzterem handelt es sich um eine Konzertreihe der Deutschen Grammophon, bei der bekannte Klassik-Künstler in Clubs spielen, somit Elemente der Clubkultur mit klassischer Musik verknüpft werden. DJs legen Werke der E-Musik auf (von Bach bis Ligeti, wobei die Werkgrenzen bewusst verfließen), das Konzert erhält den Charakter eines Live-Acts mit Solo-Künstlern, Kammermusik, Chören. Hinzu kommen Live-Videoinstallationen. Die erste Yellow Lounge fand am 1. Februar 2001 in Hamburg statt, inzwischen gibt es regelmäßige Yellow Lounges in Berlin, seit 2004 in Frankfurt, Dresden9 sowie weiteren Städten, aber auch Veröffentlichungen von CDs, häufig in einem Mix unterschiedlicher Stücke.10 Im Ergebnis findet hier die von den Propagandisten der Postmoderne beschworene Verschmelzung von Hoch- und Populärkultur statt, und zwar auf der performativen Ebene: DJs legen klassische Musik auf, Elemente des Mixings aus elektronischer Musik werden auf klassisches Material übertragen; und auf der Ebene der Präsentation durch die Verlagerung des Konzertes aus dem Konzertsaal in den Club mit alle den habituellen, non- und paraverbalen Erleichterungen (kommunikative, lockere Stimmung, Zuschauer dicht gedrängt, sitzen teilweise auf dem Boden, filmen mit Smartphones, etc.).

Als zweites Beispiel sei das Kultur- und Veranstaltungszentrum Radialsystem in Berlin, 2006 gegründet, vorgestellt, das sich als Kontaktpunkt von Künstlern, Kreativen und Kulturbegeisterten versteht und mit dem Ziel antritt, eine Erweiterung des kulturellen Kanons im Sinne von interkulturellem Handelns zu initiieren. Dabei geht es um die ästhetisch produktive Erschließung neuer interdisziplinärer Formate durch Zusammenspiel mehrerer Künste (hybride Kunstformen), um die Einbeziehung unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen, um den Abbau von Barrieren zwischen Kunst und Publikum. Ohne ins Detail zu gehen lässt sich eine hohe kulturpolitische Relevanz durch Innovation in der Produktion, Präsentation und Rezeption, aber auch innerhalb des Managements und der Finanzierung konstatieren. Als Beispiele für neue Formate genannt seien Nachtmusik (Solisten oder kleine Ensembles spielen vor Publikum, das sich auf Yogamatten entspannt, womit eine neue Konzertdimension erreicht werden soll); oder UM:LAUT, das sich als Experimentierfeld für Kooperationen von Künstlern unterschiedlicher Disziplinen versteht (Musik fungiert als Impulsgeber für Film, Video, Fotografie, Installation, Tanz und Performance), um mittels Konzert eine besondere Atmosphäre, Intimität und Intensität zu schaffen.

Dass damit die gängige Differenzierung zwischen Hoch- und Popularkultur kaum noch möglich sein dürfte, ist wohl genauso offenkundig wie man vor einer affirmativen Übernahme von Crossover-Formaten warnen kann.

 

4. Neue Berufsbilder und Rollenmodelle

Die transformative Herausforderung lässt sich darüber hinaus an zwei gesamtgesellschaftlichen Paradigmen belegen. Zunächst ist das Innovationsparadigma zu nennen, mit dem neue Anforderungen an Arbeitnehmer wie Flexibilität, Kreativität, soziale Kompetenz, Eigenverantwortlichkeit gestellt werden, bei denen ein spezifisches Künstlerbild oder Stereotyp Vorbild sind. Zuschreibungen an künstlerische Kompetenzen wie „geistige Ungebundenheit, Offenheit für Neues, Fantasie, Spiel, Improvisationsfähigkeit, atypisches Verhalten und sogar kreative Anarchie“ (MISIK 2007: 82) gelten als wichtige Handlungskompetenzen in den Bereichen ökonomischer Logik. Zentrale Werte der Künstlerrolle werden somit auf andere soziale Bereiche übertragen und bilden die Grundlage eines spezifischen Habitus und Ethos der kreativen Klasse, wobei weniger die „romantische Vorstellung des rebellischen, subversiven Künstlers“ beschworen wird als vielmehr „der schöpferische Mensch“, mit dem die Kontrafaktur von Idealismus und Materialismus bzw. von „originell, provozierendem und rebellischem Künstler“ und „konformistischem und spießbürgerlichem Bourgeois“ überwunden werden soll (MENGER 2006: 10). Dass es sich dabei häufig, dies sei am Rande vermerkt, um ein extrem komplexitätsreduktives Bild handelt, vermag eine Darstellung und Systematisierung unterschiedlicher Zuschreibungen an Künstler seit der Renaissance verdeutlichen (s. Tab. 2).

Letztlich weist das Innovationsparadigma auf einen generellen Prozess der Ästhetisierung der Ökonomie, der in Abgrenzung von einem kognitiven zu einem affektiven Kapitalismus führe, wobei man aber eben doch skeptisch sein sollte, was eine Einstellungsänderung durch künstlerische Interaktionen (oder Interventionen) in Wirtschaftsunternehmen angeht.

Die sich im Innovationsparadigma andeutende Auflösung der Differenzen zwischen Management und Kultur verweist darüber hinaus auf das Organisationsparadigma, das auf der betrieblichen Ebene die künstlerischen Organisations- und Innovationsstrategien und deren Übertragbarkeit auf ökonomische Bereiche und Logiken diskutiert (Ventura 2005). Schließlich produzieren Künstler zum einen kulturelle Innovationen, um auf diese Weise eine Veränderung der Einstellungen und Verhaltensweisen ihres Publikums im Sinne bestimmter kunstinterner (z. B. ein neuer visueller Stil) und kunstexterner (Verbreitung von sozial, politisch, ökologisch relevanten Ideen) Ziele zu erreichen. Zum anderen seien die Mittel der Künstler auch relevant für das strategische Management im Sinne einer gezielten Erzeugung kultureller Innovation.

(Tabelle 2)

Gegen diese affirmative bis enthusiastische Indienstnahme von Kunst und Künstlern bzw. Künstlerinnen sei eine kritische Reflexion angemahnt, was an einem abschließenden Beispiel verdeutlich werden soll. Nimmt man als Transformationsmerkmale der Arbeitsgesellschaft die Flexibilisierung von Arbeitsformen, diskontinuierliche Erwerbsbiographien sowie die Entgrenzung von Arbeit und Leben und den zumindest teilweise daraus resultierenden prekären Arbeitsverhältnissen, charakterisiert durch geringe Einkommen, Doppel / Mehrfachbeschäftigung, Bereitschaft zur Selbstausbeutung bei zugleich hoher intrinsischer Motivation und Identifikation, so ist damit die berufliche Situation nicht weniger Akteure im öffentlichen, intermediären und privaten Kultursektor beschrieben, wie dies in Tabelle 3 zusammengefasst wird:

(Tabelle 3)

Es lässt sich unschwer das Konzept des Arbeitskraftunternehmers erkennen, der von Selbstkontrolle im Sinne verstärkter selbständiger Planung, Steuerung und Überwachung der eigenen Tätigkeit, von Selbst-Ökonomisierung als zunehmend aktiv zweckgerichteter Produktion und Vermarktung der eigenen Fähigkeiten und Leistungen – auf dem Arbeitsmarkt wie innerhalb von Institutionen und von Selbst-Rationalisierung geprägt ist, also einer wachsenden bewussten Durchorganisation von Alltag und Lebensverlauf bei Tendenz zur Verbetrieblichung der Lebensführung. Und das wäre auch ein Thema, mit dem sich das Fach sehr wohl beschäftigen sollte.

Damit ist die Bandbreite der eingangs geschilderten Problematik zumindest kursorisch skizziert. Die einzelnen Beiträge des Schwerpunktes befassen sich mit Fragen der kulturpolitischen Transformation, mit der Rolle der Digitalisierung, mit kultureller Partizipation und veränderten Publikumsansprachen, wobei den Herausgebern bewusst ist, lediglich in Ansätzen dem komplexen Thema Transformation der Kultur gerecht zu werden.

 

Literatur

FÖHL, Patrick/GLOGNER-PILZ, Patrick (2017): Kulturmanagement als Wissenschaft. Grundlagen, Entwicklungen, Perspektiven. Einführung für Studium und Praxis. Bielefeld: transcript.

HÖHNE, Steffen (2008): Kulturmanagement – eine wissenschaftliche Disziplin? – In: Spielplan. Schweizer Jahrbuch für Kulturmanagement 07/08. Hrsg. von Rolf Keller, Brigitte Schaffner, Bruno Seeger. Bern, Stuttgart, Wien: Haupt, 21-39.

HÖHNE, Steffen (2010): Paradigmen und Paradigmenwechsel. Kulturmanagement als angewandte Kulturwissenschaft zwischen Anwendungsorientierung und Theoriebildung. – In: Joachimsthaler, Jürgen/Kotte, Eugen (Hgg.), Kulturwissenschaft(en). Konzepte und Disziplinen. München: Meidenbauer, 51-64.

HÖHNE, Steffen (2013): Implikationen zur kulturwissenschaftlichen Forschung im Spannungsfeld von Kultur, Politik und Wirtschaft. – In: Ders. (Hg.), Kulturwissenschaft im europäischen Kontext. Frankfurt/Main u. a.: Lang, 167-190.

MENGER, Pierre-Michel (2006): Kunst und Brot. Die Metamorphosen des Arbeitnehmers. Konstanz: UVK.

MISIK, Robert (2007): Das Kult-Buch. Glanz und Elend der Kommerzkultur. Bonn: BpB. VENTURA, Holger Kube (2005): Organisation als Kunst. – In: Raffinierter Überleben. Strategien in Kunst und Wirtschaft. Sophisticated Survival Techniques. Strategies in Art and Economy. Hrsg. von Mari Brellochs/Henri Schrat. Berlin: Kadmos, 80-94.

  1. Zu den kulturpolitischen und wissenschaftshistorischen Kontexten, die für die Gründung des Faches Kulturmanagement im deutschsprachigen Raum von Relevanz waren, s. das Sonderheft spiel plan. Schweizer Jahrbuch für Kulturmanagement (2007/8) sowie die beiden programmatischen ersten Bände des Jahrbuches für Kulturmanagement: Forschen im Kulturmanagement (2009) sowie Theorien für den Kultursektor (2010), in dem u. a. zentrale soziologische Ansätze wie die Systemtheorie, die Feldtheorie oder der Production-of Culture-Ansatz vorgestellt und in Hinblick auf Kulturmanagement
    diskutiert werden.
  2. In dieser Phase wurden die Grundlagen eines verbindlichen Lehrkanons gelegt, Ausdruck hierfür sind Einführungen in das Fach, aber auch erste wissenschaftliche Monographien.
  3. Vorläufer des Jahrbuchs für Kulturmanagement sind das Deutsche Jahrbuch für Kulturmanagement (1998-2003) sowie der spiel plan. Schweizer Jahrbuch für Kulturmanagement (2005-2007/8), beide allerdings noch ohne Peer-Review Verfahren und weitgehend ohne Theoriedebatten.
  4. Die Jahrbücher für Kulturmanagement enthalten mit Einsatz der 3. Jahrestagung in Friedrichshafen jeweils die Beiträge, darüber hinaus werden weitere wissenschaftliche Arbeiten, Berichte und Rezensionen publiziert. S. Jahrbuch für Kulturmanagement. Forschen im Kulturmanagement (2009); Jahrbuch für Kulturmanagement. Theorien
    über den Kultursektor und ihre Relevanz für das Kulturmanagement (2010); Jahrbuch für Kulturmanagement. Kulturmanagement und Kulturpolitik (2011); Jahrbuch für Kulturmanagement. Zukunft Publikum (2012) sowie Jahrbuch für Kulturmanagement. Die Kunst des Möglichen – Management mit Kunst (2013). Die Beiträge der Jahrbücher sind auf der Homepage des Fachverbands einzusehen: <www.kulturmanagement-fachverband.org>.
  5. Mit dem Jahre 2015 erfolgte die Umwandlung des Jahrbuches in ein referiertes Journal. Das jeweils erste Heft ist für die Beiträge der jeweiligen Jahrestagung vorgesehen, das zweite für weitere Beiträge. Bisher erschienen sind: Zeitschrift für Kulturmanagement. Kunst, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Schwerpunkt: Dispositive der Kulturfinanzierung (2015/1-2); Zeitschrift für Kulturmanagement. Kunst, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Schwerpunkt: Cultural Management Without Borders (2016/1-2) und Zeitschrift für Kulturmanagement. Kunst, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Schwerpunkt: Evaluation im Kulturbereich (2017/1-2). Die Beiträge der älteren Hefte sind auf der Homepage des Fachverbands einzusehen: <www.kulturmanagement-fachverband.org>.
  6. S. zuletzt Patrick Föhl und Patrick Glogner-Pilz (2017) sowie die Besprechung dieses Bandes im vorliegenden Heft.
  7. Diese Funktionalisierung lässt sich im Übrigen auch bei auf bildungspolitischen Maximen verpflichteten Konzepten wie JeKi beobachten, s. hierzu bspw. das Dossier Jedem Kind ein Instrument in: nmz <www.nmz.de/dossiers/jedem-kind-ein-instrument>[17.5.2018].
  8. Ausführlich zu den Antinomien zwischen Kunst und Kultur auf der einen Seite, Management und Ökonomie auf der anderen s. Höhne (2010: 54).
  9. S. hierzu Yellow Lounge: „About. Was ist Yellow Lounge?“, <www.yellow-lounge.com/de/about/> [28.04.2017]. Inzwischen ist das Format weltweit vertreten, u. a. London, Paris, Stockholm, Wien, Sydney und Buenos Aires (WeltN24 GmbH: Max Richter spielt Live-Konzert auf welt.de, <www.welt.de/kultur/video161454850/Max-Richter-spielt-Live-Konzert-auf-welt-de.html> [28.04.2017]).
  10. „Alles von Bach bis Ligeti, wohl ausgesucht und durch raffinierte Übergänge miteinander verbunden.“ (Yellow Lounge: About, <www.yellowlounge.com/de/about/> [28.04.2017]).