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Zusammenfassung
Die Überzeugung, dass die Kunst in der Lage ist, neue soziale Formen und neue Arten des Zusammenlebens zu gestalten und experimentell zu entwickeln, ist so alt wie die künstlerische Avantgarde. Die soziale Verortung der Kunst und das Zusammenspiel zwischen Künstlern, Nicht-Künstlern, Institutionen und politischen Entscheidungsträgern haben sich im 21. Jahrhundert erheblich verändert. Sozial engagierte Kunst wird weitgehend als neue Disziplin oder sogar als neues Feld für sich selbst akzeptiert und gilt als Generator neuer sozialer Formationen, transdisziplinärer Kooperationen und wird auch als “Pädagogik-des-Lernens-durch-Partizipation” betrachtet, aufgrund der Arbeitsweise sozial engagierter Künstler. Gemeinden, die beispielsweise das soziale Gefüge eines Viertels verbessern wollen, um es lebenswerter und sozial gerechter zu machen, folgen in der Regel einer Logik außerhalb der Kunst. Sozial engagierte Künstler haben erkannt, wie wichtig der Aufbau von Gemeinschaften ist, und übernehmen daher Praktiken von politischen Aktivisten und Sozialarbeitern. Museen fühlen sich von den gemeinschaftsbildenden Effekten angezogen, die mit sozial engagierter Kunst einhergeht, und laden zunehmend sozial engagierte Künstler und Aktivisten ein, Projekte für ihr Publikum oder – noch besser – für die allgemeine Öffentlichkeit zu produzieren. Der Internationale Museumsrat (ICOM) plädiert dafür, die Definition von Museen zu ändern und sie zu „einer Plattform für die Hinterfragung und Würdigung von Erbe und Sammlungen“ und zu „inklusiven und vielstimmigen Räumen für den kritischen Dialog über Vergangenheit und Zukunft“ zu machen (ICOM 2019). Darüber hinaus gewann die in Belfast ansässige nordirische Gruppe Array Collective 2021 den Turner-Preis in Großbritannien, und 2022 wurde die documenta-Ausstellung in Deutschland von dem in Indonesien ansässigen Kollektiv ruangrupaf aus Jakarta organisiert. Es ist klar, dass sozial engagierte Kunst mittlerweile Teil des kulturellen Mainstreams ist. Dies ist jedoch nicht der Zeitpunkt, um selbstzufrieden zu sein. Wer sich vom Mainstream vereinnahmen lässt, läuft Gefahr, fetischisiert zu werden. Anstatt einen tatsächlichen sozialen Wandel herbeizuführen, verbleiben sozial engagierte Projekte für Museen, Biennalen und Kunstmessen im Kunstbereich und bieten daher möglicherweise keine katalytische Erfahrung, um die Welt neu zu gestalten…
Journal of Cultural Management and Cultural Policy
10.14361/zkmm-2023-0101
Research Article
Zusammenfassung
Obwohl sich viele Wissenschaftler mit politischer Kunst befassen, fehlt eine eingehende Analyse der Art und Weise, wie sich Künstler politisch äußern und ihren politischen Ausdruck als Teil ihrer künstlerischen Reputation bewerten. Wie bewerten Künstler ihr politisches Handeln im Hinblick auf ihre künstlerische Reputation, und warum? Ein vielversprechender theoretischer Zugang zu dieser Frage ist die Feldtheorie von Pierre Bourdieu. Wir haben sein Konzept des feldspezifischen symbolischen Kapitals in der kulturellen Produktion genutzt, um politische Äußerungen von Künstlern zu untersuchen; die Ergebnisse basieren auf empirischen Untersuchungen in Hamburg, Hannover, Jerusalem und Tel Aviv. In früheren Veröffentlichungen dieses mehrstufigen Forschungsprojekts haben wir fünf Künstlertypen identifiziert, die auf unterschiedliche Weise in die städtische Politik involviert sind – der autonome Künstler, der soziale Artivist, der politische Künstler, der politische Artivist und der Künstler mit hohem Status. In
dieser Phase bewerten wir ihr politisches Verhalten als als Beitrag zur Bestimmung des
symbolischen Kapitals. Dabei kamen wir zu dem Ergebnis, dass autonome Künstler
politisches Handeln als nachteilig für ihr symbolisches Kapital ablehnen. Künstler mit
hohem Status haben eine so hohe künstlerische Position, dass sie eine mögliche Schädigung
ihres Rufs durch ihre politischen Aktivitäten ignorieren können. Soziale Künstler sind der
Meinung, dass offenes politisches Handeln ihrem symbolischen Kapital schaden könnte,
und wir bezeichnen ihr politisches künstlerisches Handeln als soziale Kunst. Politische
Künstler erklären, dass ihr Kunstwerk politisch ist, und dass dies ihr symbolisches Kapital
fördere, solange ihre politischen Äußerungen auf ihr Kunstwerk beschränkt seien und nicht
als persönliche Äußerungen angesehen würden. Politische Künstler ziehen keine Grenze
zwischen ihren Kunstwerken und persönlichen politischen Äußerungen, da sie beides
als reputationsfördernd verstehen. Eine negative Korrelation zwischen künstlerischer
Autonomie und politischer Heteronomie im Kunstbereich erscheint daher als zu einfach.
Journal of Cultural Management and Cultural Policy
10.14361
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Zusammenfassung
2021 waren erstmals ausschließlich Kunstkollektive für den Turner Prize nominiert. So wurde Autorschaft gleichsam ’demokratisiert´, indem die Kontrolle über die künstlerische Arbeit an Nicht-Künstler abgegeben hatten. Gerade bei einem derart prestigeträchtigen Preis wie dem Turner Prize wurde dieser erklärte Kontrollverzicht, den das kollektive Arbeiten mit unterschiedlichen Gruppierungen mit sich bringt, als ethisch wertvoll erachtet. Gilt der Kontrollverzicht doch als egalitär und nicht hierarchisch. Wir argumentieren dagegen, dass der wachsende institutionelle Erfolg von sozial engagierter Kunst ein Spannungsverhältnis erzeugt zwischen der Notwenigkeit ethisch Gutes zu tun, und zwar auf möglichst authentische Weise, und einer gewissen Unaufrichtigkeit, die Projekten innewohnt, die künstlerische Expertise angeblich zugunsten egalitärer Prozesse aufzugeben. Wir möchten zeigen, dass es nicht primär die kollektiven Prozesse selbst sind, die sozial engagierte Kunst in den Bereich des Postfaktischen drängen, verantwortlich hierfür ist vielmehr die allgemeine Überhöhung von Demokratie und Gleichheit. Dabei kommen wir zu dem Schluss, dass sozial engagierte Kunst eine dialektische Spannung zwischen Vorstellungen von Gleichheit und der Produktion von Wahrheit als kulturellem Wert beibehalten muss: eine Dialektik, die die behutsame Wiederherstellung künstlerischer Autorschaft und eine ehrlichere Vision politischer Ambitionen und Bedeutungen verbindet.
Journal of Cultural Management and Cultural Policy
10.14361
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Zusammenfassung
Die HIV/AIDS-Epidemie der 1980er und -90er Jahre markiert ein gesellschaftliches Versagen des Westens gegenüber den vom HI-Virus Betroffenen und den an diesem Sterbenden. Auf dieses Versagen regiert ab Mitte der 1980er Jahre politischer und künstlerischer Widerstand. Künstlerische Aktionen verbinden sich auf neuartige Weise mit dem politischen Protest. Außerdem entsteht eine neue Form von queerer utopischer Kunst, die unter anderem in der Fotografie ihren Ausdruck findet. Der Artikel betrachtet queere Utopie als Engagement und geht dabei auf die besondere Rolle der Fotografie während der HIV/AIDS-Krise ein. Anhand dreier Fotografien von Jürgen Baldiga, Mark Morrisroe und David Wojnarowicz wird erläutert, wie engagierte Kunst als queere Utopie der HIV/AIDS-Krise begegnet.
Journal of Cultural Management and Cultural Policy
10.14361
Research Article
Zusammenfassung
Partizipation ist ein intensiv diskutiertes Thema in der Kulturpolitik, ein Thema, dem sich Wissenschaftler und Praktiker auf unterschiedliche Weise genähert haben. Aktuell zeigt sich ein komplexes Verständnis von Partizipation in Kunst und Kultur. Die Anforderungen der öffentlichen Kulturverwaltung zielen darauf ab, Kulturangebote mit immer höherer Beteiligung zu fördern, wobei unterschiedliche Interessen eine Rolle spielen. Indem dieser Artikel einige der kulturpolitischen Paradigmen – Exzellenz, kulturelle Demokratisierung, kulturelle Demokratie und Kreativwirtschaft – aus einer für sozial engagierte Kunst spezifischen Perspektive betrachtet, werden Spannungen, die bei der Frage nach den Mitteln kultureller Produktion entstehen, deutlich. Problematisiert wird darüber hinaus der institutionelle Gebrauch der Begriffe Kunst und Partizipation.
Journal of Cultural Management and Cultural Policy
10.14361/zkmm-2023-0105
Research Article
Zusammenfassung
Auf der Grundlage der materialistischen feministischen Theorie wird in diesem Artikel die Arbeit „Recleaning the Rietveld Pavilion“ (2017) von Alina Lupu und deren Beziehung zu Job Koelewijns „Cleaning of the Rietveld Pavilion“ (1992) und anderen wichtigen Vorläufern diskutiert. Indem ich die Art und Weise betrachte, wie Reinigungs- und Servicearbeiten in den Projekten artikuliert werden, und wie die Menschen, die an deren Umsetzung beteiligt sind, in den Blick genommen werden, argumentiere ich, dass im Kontext sozial engagierter Kunst eine kritische Analyse der Sichtbarkeit dieser Tätigkeiten stattfindet. Die Argumentation konzentriert sich auf Kunst als Ort geschlechtsspezifischer Arbeit und auf die Subjektivitäten sowie die Formen (sozialer) Arbeit, die sie hervorbringt. Darüber hinaus wird das Regime der Hyper-Sichtbarkeit zeitgenössischer Kunst in Kontrast gesetzt zur Unsichtbarkeit dieser haushaltsnahen Dienstleistungen, die wesentlich aber nicht ausschließlich mit der Instandhaltung und Pflege befasst sind und so zur Reproduktion eines nicht nachhaltigen Systems von Arbeitsbeziehungen beitragen, das auf (Selbst-)Ausbeutung, Reputation und finanzieller Abhängigkeit beruht.
Journal of Cultural Management and Cultural Policy
doi 10.14361/zkmm-2023-0106
Research Article
Zusammenfassung
Wir gehen in diesem Aufsatz davon aus, dass wir es gegenwärtig mit einem erneuten Strukturwandel der Öffentlichkeit zu tun haben. Dieser hat erhebliche Konsequenzen für die Sphäre des Politischen. Denn durch die Krise der Repräsentativität und die Zersplitterung der Öffentlichkeit in antagonistisch strukturierte, auf Selbstdarstellung und -bestätigung gerichtete Welten erodiert der common ground, der erforderlich ist, damit politische wie ästhetische performative Handlungen geltend gemacht werden können. Vor diesem Hintergrund ist es nötig, Kunstformen näher zu betrachten, die diesseits performativer Eingriffe auf der „Bühne des Öffentlichen“ zur einer gesellschaftspolitischen Transformation beitragen wollen. Statt auf Versuche einer Neumischung der ohnehin heillos krisenbehafteten herrschenden Repräsentationsverhältnisse, und statt auf Versuche des Propagierens von Gegen-Hegemonien, fokussieren wir uns auf community based arts. Wir argumentieren, dass die politische Stärke dieses neuen Genres nicht so sehr in einem zu erwartenden „social impact“ oder in der Wiederbelebung einer absterbenden Wir-Identität liegt, als vielmehr in der Wiederstellung einer unmittelbaren Sozialität durch leibliche Begegnung und Befähigung zur Dialog-Offenheit unter Anwesenden.
Journal of Cultural Management and Cultural Policy
doi 10.14361/zkmm-2023-0107
Case Study
Zusammenfassung
Diese Fallstudie bietet einen kritischen Überblick über SAFEDI, ein vom Arts and Humanities Research Council finanziertes Engagement-Stipendium, das darauf abzielte, die Gestaltung der Politik in Bezug auf Zugang, Integration und Vielfalt in Kunst- und Kultureinrichtungen und -organisationen zu beeinflussen. Im Rahmen von sechs Künstleraufträgen arbeiteten ’Soziale Künstler’ mit Teilnehmern, die sich selbst als marginalisiert bezeichnen, und mit Organisationen, die an der Entwicklung einer integrativeren Kulturpolitik interessiert sind. Ein zentrales Anliegen des SAFEDI-Stipendiums war es herauszufinden, ob künstlerische Prozesse und Ergebnisse zu einer Methode und einem Mittel werden können, mit dem gelebte Ausgrenzungserfahrungen und die Visionen der Teilnehmer für einen besseren Zugang zu Kulturpartnern und Forschern vermittelt werden können. Die von einem unabhängigen Gutachter gesammelten Nachweise ergaben, dass alle geplanten kurzfristigen Ergebnisse und eine Reihe mittel- und langfristiger Auswirkungen bis zum Ende des Projekts erreicht wurden, wobei der Ansatz der sozialen Kunstpraxis die Verantwortlichen der Kulturpartner in die Lage versetzte, ihre Strukturen, Bestimmungen, Absichten, Praktiken und formellen Strategien in Bezug auf ihre Mitarbeiter und das Publikum, das sie erreichen wollen, neu zu überdenken.
Journal of Cultural Management and Cultural Policy
doi 10.14361/zkmm-2023-0108
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Journal of Cultural Management and Cultural Policy
doi 10.14361/zkmm-2023-0109
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Zusammenfassung
Der Bericht betrachtet die ISSP Summer School of Socially Engaged Art, welche vom 23. bis 30. Juli 2022 in Cēsis (Lettland) stattfand. Gemeinsam durchgeführt von ISSP Lettland und New Visions richtete sich die Veranstaltung an Künstler und Kreative unterschiedlicher Disziplinen aus dem baltischen Raum, die mit Communities arbeiten oder es anstreben. Durch Übungen, Workshops und Gastvorträge wurden innerhalb einer Woche sowohl die Rolle sozial engagierter Kunst theoretisch analysiert als auch Werkzeuge an die Hand gegeben, die helfen sollten in der eigenen Praxis kontextbezogene und gleichberechtigte Beziehungen aufzubauen. Der nachfolgende Bericht basiert auf teilnehmender Beobachtung und auf Interviews mit den Beteiligten und den Organisatorinnen. Da Gruppendynamiken, der Ortsbezug und die soziale Dynamik von Veranstaltungen in der sozial engagierten Kunst eine besondere Rolle spielen, geht er Beweggründen und Erwartungen der Initiatoren und Teilnehmern nach, betrachtet aber auch die Strategien und Methoden, die von den Organisatoren angewendet wurden, um dem eigenen Anspruch gerecht zu werden, ein nachhaltiges Netzwerk zu kreieren. Und schließlich wird gefragt, was die Teilnehmer nach der Woche mitnahmen. Ein wichtiges Augenmerk liegt dabei auf den Paradoxien von sozial engagierter Kunst im post-sowjetischen Kontext.
Journal of Cultural Management and Cultural Policy
doi 10.14361/zkmm-2023-0110
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Journal of Cultural Management and Cultural Policy
doi 10.14361/zkmm-2023-0112
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Journal of Cultural Management and Cultural Policy
doi 10.14361/zkmm-2023-0113
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Journal of Cultural Management and Cultural Policy
doi 10.14361/zkmm-2023-0114
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Journal of Cultural Management and Cultural Policy
doi 10.14361/zkmm-2023-0115
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