Editorial
Zur Einführung in das Jahrbuch für Kulturmanagement 2011
Schwerpunktthema des aktuellen Jahrbuches für Kulturmanagement ist das mitunter spannungsreiche Beziehungsgeflecht von Kulturpolitik und Kulturmanagement, das Thema der Jahrestagung 2011 des Fachverbandes in Basel war. Aus der Perspektive des Kulturmanagements wird Kulturpolitik zumeist als Instanz verstanden, die inhaltliche Ziele formuliert, Rahmen definiert, Ressourcen bereitstellt und Antworten darauf zu finden hat, was auf dem Gebiet der Kultur für die Gesellschaft erreicht werden soll.
Kulturmanagement, zumindest im öffentlichen Kulturbetrieb, kann dazu beitragen, die von der Politik gesetzten Ziele zu realisieren. Die Praxis zeigt allerdings, dass die Beziehungen zwischen Kulturmanagement und Kulturpolitik keineswegs so eindeutig und einseitig codiert sind, da widerstreitende Interessen und gegenseitige Einflussnahmen ins Spiel kommen. Einerseits sind die Auswirkungen kulturpolitischer Entscheidungen im Bereich der öffentlichen Institutionen häufig direkt spürbar – durch gesetzliche Rahmenbedingungen, Mittelvergabe und rechtliche Zuständigkeiten –, andererseits übernehmen immer mehr zivilgesellschaftliche Initiativen zuvor als genuin öffentlich angesehene Kultur- und Bildungsaufgaben. Ferner haben sich die Produktionsverhältnisse in der Kulturarbeit durch neue Angebotsformen, durch Eventisierungs- und Popularisierungstendenzen verschoben. Zudem wirken sich immer deutlicher Partizipationsansprüche auf die herkömmlichen Strukturen kulturpolitischer Entscheidungsprozesse aus und stellen so Kulturorganisationen und in der Folge auch das Kulturmanagement vor neue Aufgaben.
Ausdruck dieser Interdependenzen zwischen Kulturpolitik und Kulturmanagement ist nicht zuletzt die veränderte Wahrnehmung der Kultur- und Kreativwirtschaft von Seiten der Politik. Kulturwirtschaftsberichte weisen auf die volkswirtschaftliche Bedeutung dieses Sektors, der noch anfangs der 1990er Jahre als solcher gar nicht bekannt bzw. statistisch erfasst war (gleichwohl schon existierte). Die Erwartungen erweisen sich als vielfältig: Die Wirtschaftspolitik zählt auf Wachstumsperspektiven und Unternehmensgründungen in den diversen Branchen der Kultur- und Kreativwirtschaft, die Stadtplanung sucht nach verbesserten Bedingungen, um eine kreative Klasse anzusiedeln und strebt in Zusammenarbeit mit der Kommunalpolitik nach einer erfolgreichen Belebung städtischer Areale durch die Umwandlung ehemaliger Industriebauten in Kultur- oder Kreativquartiere. Auch Künstler und Künstlerinnen bzw. Kulturproduzenten insgesamt erhoffen sich, ob berechtigt oder nicht, neue Aktionsmöglichkeiten. Zugleich aber geraten überzogene Erwartungen an die stadtentwicklerische Wunderwaffe ‚Kreativindustrie‘ immer mehr in die Kritik. All das stellt auch das Kulturmanagement vor neue Herausforderungen.
Das aktuelle Jahrbuch zielt deshalb auf eine kritische Auseinandersetzung mit dem starken Veränderungen unterworfenen Wechselverhältnis zwischen Kulturmanagement und Kulturpolitik. Kulturelle Übersättigung und der demographische Wandel, Fragen der Zugänglichkeit von Kultur für breitere Gesellschaftsschichten und die Reproduktion sozialer Ungleichheit in der Kulturarbeit stehen dabei ebenso auf der Agenda, wie ein gewandeltes Verhältnis zwischen Öffentlichkeit und privaten Interessenlagen, zwischen Wirtschaft und Kultur.
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