Editorial
Guest Editorial
Wie ist es um die Evaluationskultur in der Kultur bestellt? Wie in vielen anderen Bereichen ist heutzutage auch in der Kultur die Evaluierung von Institutionen, Programmen, Projekten und von deren Wirkungen eine gängige Praxis. Spätestens mit der Einführung des so genannten ‚New Public Management‘ in den öffentlichen Verwaltungen in den 90er-Jahren wurde auch für Kulturförderung und Kulturpolitik das Evaluieren zu einem Steuerungsinstrument. Die Bedeutung, die Evaluationen heute für kulturpolitische Planung und Kulturfinanzierung zukommt, insbesondere der damit verbundene zunehmende öffentliche Legitimierungsanspruch an Kulturinstitutionen und -projekte, stellt für Forschung und Praxis des Kulturmanagements eine Herausforderung dar.
Für Kulturbetriebe und Kulturprojekte, die in der Regel die Rolle der Evaluierten einnehmen, zeigt sich das Thema Evaluation als ein komplexes Feld: dies zum Einen, weil bei Evaluationen verschiedene Dimensionen miteinander konkurrieren, wie z. B. das Erreichen künstlerischer Ziele, die Wirkung der ausgestellten oder aufgeführten Kunst, die Performance der Organisation, aber auch die Ansprüche unterschiedlicher Geldgeber, und zum Anderen, weil diesen Dimensionen auch unterschiedliche Rationalitäten unterliegen. Nicht zuletzt stehen Befürchtungen und Erwartungen der Evaluierten im Raum, Evaluationsergebnisse könnten für oder gegen deren Interessen in Stellung gebracht werden. Die akademische Auseinandersetzung konzentriert sich dabei vorwiegend auf instrumentelle und methodologische Aspekte. Dem Evaluationsprozess sind jedoch auch epistemologische, ästhetische, politische und ethische Fragen inhärent. Da der Evaluationsbegriff heute für die unterschiedlichsten Formen von Bewertungen benutzt wird, ist für eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Thema auch eine begriffliche Differenzierung erforderlich.
Evaluation war denn auch das Thema der 9. Jahrestagung des Fachverbandes Kulturmanagement, die 2016 an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW in Winterthur stattfand, und ist auch Thema des Special Issue dieser Ausgabe. Die Resonanz der Jahrestagung sowie die zahlreichen Einreichungen, die in diesem und im kommenden Heft präsentiert werden, unterstreichen die Relevanz des Themas für Forschende und Praktiker. Das aktuelle Heft versammelt wissenschaftliche Beiträge sowie Fallstudien, die das Thema vorwiegend kritisch reflektierend abhandeln und über bestehende Grenzen der Praxis und Theorie hinaus weiter denken.
Der erste Artikel von Tasos Zembylas steht im Zeichen einer Reflexion auf die gängige sozialwissenschaftlich orientierte Theorie und Praxis der Evaluation. Neben grundsätzlichen epistemologischen und methodischen Herausforderungen, werden in der gegenwärtigen Evaluationsdiskussion häufig auch Abhängigkeiten und Machkonstellationen sowie ethische Dimensionen von Evaluationen zu wenig diskutiert. Gerade auch für den öffentlich geförderten Kulturbereich ist eine höhere Sensibilität für die inhärente Ambiguität und Fragilität von Evaluationsprozessen sowie ein differenzierteres Bewusstsein über die Komplexität bzw. Spezifität des Evaluationsobjektes ‚Kultur‘ von Nöten.
Leticia Labaronne analysiert mittels einer Meta-Synthese, die den Korpus von angelsächsischen und deutschsprachigen wissenschaftlichen Publikationen über Leistungsmessung und Evaluation im Kulturmanagement umfasst, den gegenwärtigen Stand der akademischen Diskussion. Die Ergebnisse zeigen einerseits die Heterogenität und Vielgestaltigkeit der theoretischen Diskurse und andererseits weisen sie auch eine stark am positivistischen Paradigma orientiertes Evaluationsverständnis aus. Besonders interessant sind die kulturellen Unterschiede in der Wahrnehmung von Evaluationsprozessen zwischen deutschsprachigen und angelsächsischen Publikationen. Darüber hinaus wird nach den Interdependenzen von Kulturpolitik und KulturmanagementForschung in der Gestaltung des Evaluation-Diskurses gefragt.
Diana Betzler stellt die Entwicklung und Implementierung eines wirkungsorientierten Qualitätsmanagements für Theatern vor. Sie verbindet das betriebswirtschaftliche Verständnis von Qualitätsmanagements anhand theoretisch-konzeptioneller Überlegungen mit dem kreativen Kontext und der Frage der Leistungserstellung von Kulturorganisationen. Anschließend wird ein Modell für ein wirkungsorientiertes Qualitätsmanagement (Theatre Quality Frame) vorgestellt, welches an einem Schweizer Theater als Pilotprojekt entwickelt und implementiert wurde.
An den weiteren Beiträgen unter der Rubrik Essays und Fallstudien ist unter anderem bemerkenswert, dass über eine kritische Hinterfragung und Relativierung des gängigen sozialwissenschaftlichen Verständnisses von Evaluation hinaus mit neuen innovativen Konzeptualisierungen von Evaluationen experimentiert wird. Die Vielfalt der Erfahrungen eines kreativeren Umgangs mit Evaluationen in der Kultur zeigen eine, wenn auch wiederum kritisch reflektierte, Aufbruchsstimmung. Es eröffnet sich hier ein weites Feld für Kulturmanagementforschung zur Klärung von epistemologischen, methodischen und konzeptuellen Voraussetzungen für neue Forschungsparadigmen sowie für die Entwicklung entsprechender innovativer Evaluationsdesigns in enger Kooperation mit der Kulturmanagementpraxis.
Wir hoffen, dass wir mit der 9. Jahrestagung sowie diesem Special Issue einige Impulse und Kontrapunkte setzen und damit die Weiterführung der Diskussion über Kulturevaluation bereichern konnten.
Bruno Seger
Leiter Zentrum für Kulturmanagement, ZHAW Winterthur
Leticia Labaronne
Stv. Leiterin Zentrum für Kulturmanagement, ZHAW Winterthur
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