Editorial

Zur Einführung in das Jahrbuch für Kulturmanagement 2012

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Das aktuelle Jahrbuch für Kulturmanagement nimmt die Zukunft des Publikums in den Blick. Vorgestellt und diskutiert werden neue Beteiligungsformen und interaktive Kulturwahrnehmungen: Wie sehen die Kulturangebote der Zukunft aus? Wer sind die Besucher von morgen, wer die Kulturschaffenden? Wie äußern sich Überschneidungen zwischen Kulturnutzung, Kulturproduktion und Kulturgestaltung?

Bei der Kulturnutzung ist grob zwischen (realem) Publikum und potenziellem Publikum zu unterscheiden. Das reale Publikum nimmt Kultur bereits heute wahr und nutzt mehr oder weniger selektiv das Angebot der Kulturinstitutionen; dieses wollen sich die Kulturanbieter gern erhalten. Das potenzielle Publikum kann und muss von den Kulturanbietern durch innovative Angebote neu angesprochen werden. Dabei ist zu beachten, dass sich in den letzten Jahren zunehmende gesellschaftliche Veränderungen auf das reale wie potenzielle Kulturpublikum ausgewirkt haben. Unser Alltag ist bspw. zunehmend geprägt durch die steigende Nutzung sozialer Vernetzung, schnelle und ständig mögliche Kommunikation, einfach realisierbare Möglichkeiten der öffentlichen Selbstdarstellung sowie Mitsprache auf Facebook, Blogs, Foren etc. Entsprechend erwartet das Publikum auch im Kulturbereich nicht mehr nur den gewohnten Bildungs- und Unterhaltungswert, sondern zunehmend Möglichkeiten, sich einzumischen, mitzusprechen, sich aktiv beteiligen zu können.

Doch auch die Kulturschaffenden und Kulturinstitutionen wandeln sich und reagieren teilweise bereits auf gesellschaftliche Entwicklungen, die bspw. mit den Schlagworten Demografischer Wandel, Erlebnisorientierung, Eventkultur und Kulturtourismus umrissen werden können. Manche Kulturinstitutionen positionieren sich und ihr Angebot als mögliche Gestaltung von Freizeit, während umgekehrt die Anbieter von Freizeitgestaltung Kulturangebote in ihr Leistungsportfolio integrieren.

Sowohl in der Praxis wie auch in der wissenschaftlichen Besucherforschung verlangt dies nach neuen Denkweisen und Ansätzen. Ziel ist es, Erklärungen, Strategien und Instrumente zu finden, um kulturelles Schaffen zukunftsgerichtet zu gestalten.

Das aktuelle Jahrbuch widmet sich dieser handlungskonkreten und anwendungsorientierten Thematik mit einer kritischen Auseinandersetzung mit Theorien und deren Anwendungsfeldern.

Die Beiträge befassen sich aus theoretisch-historischer (Beiträge Mandel, Höhne, Wolfram/Teissl), aus empirischer (Beiträge Tröndle et al., Schröder, Vosse/Haselbach, Kirchberg/Kuchar, Renz, Kurzeja- Christinck/Schmidt/Schmidt, Reuband, Bekmeier-Feuerhahn) und aus einer Management-Perspektive (Beiträge Kaul, Baumgarth/Kaluza) mit dem Phänomen Publikum.

Im Zentrum der Beiträge stehen zunächst Ziele und neue Strategien kultureller Beteiligung und damit Aspekte und neue Anforderungen des Kulturpublikums sowie Transformationsprozesse im Kultursektor, die nach neuen Konzepten für die Beziehung zwischen Kulturproduzenten und Publikum verlangen. Häufig wird dem Publikum eine interaktive Rolle zugeschrieben. Welche Zielgedanken verbergen sich dahinter? Wie bilden sich daraus Marketingstrategien und wie wird das kulturelle Angebot davon beeinflusst? Wie nehmen Kulturschaffende diese Prozesse wahr und wie reagieren sie darauf? Welche neuen Akteure entwickeln sich auf dem Kulturmarkt mit welchen Angeboten?

Ferner geht es um die (empirische) Erfassung der Kulturnutzer bzw. Kulturnichtnutzer. Gesellschaftliche Veränderungen führen vielfach zu neuen Nutzerpräferenzen für kulturelle Angebote. Wie lassen sich aktuelle Typen von Kulturnutzern sowie Kulturnichtnutzern beschreiben? Welche Forschungsansätze und Methoden existieren, mit deren Hilfe der Kulturnutzer und der bislang noch wenig erforschte Nichtnutzer in den Blick genommen werden können? Hieraus lassen sich wichtige Erkenntnisse für die Entwicklung von Kulturangeboten und Marketingmaßnahmen ableiten. Schließlich werden Paradigmen von Kultur und Publikum untersucht. Gesellschaftliche Entwicklungen werden häufig von Paradigmenwechseln in institutionellen und politischen Feldern begleitet. In den 70er-Jahren entstand das Paradigma einer Kultur für alle im gesellschaftspolitischen Diskurs und beeinflusste nachhaltig Institutionen und Kulturpolitik. Welche Paradigmen bzw. Leitideen definieren heute die Rolle von Kultur und Publikum? Wie hängen diese mit aktuellen gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen zusammen?

Das aktuelle Jahrbuch greift damit auch die Themenschwerpunkte der diesjährigen Jahrestagung mit dem Titel Zukunft Publikum. Neue Beteiligungsformen und interaktive Kulturwahrnehmung wieder auf und ermöglicht zudem eine Diskussion der erörterten Fragen und erarbeiteten Erkenntnisse über die Grenzen des Fachverbands hinaus.